Der Einsatz von CGM in der Diabetologie

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Dr. med. Dr. rer. nat. Torsten Schröder

Dr. med. Dr. rer. nat. Torsten Schröder ist Mitgründer und Chief Medical Officer der Perfood GmbH. Seine Motivation ist es, Therapien effektiver, ganzheitlicher und individueller zu gestalten. Deshalb hat er nach seiner Facharztausbildung in Innerer Medizin, Diabetologie und Ernährungsmedizin sowie PhD in Immunologie die Firma Perfood aus der Wissenschaft und Medizin heraus mitgegründet. Dort leitet er das Forschungs- und Entwicklungsteam und konzentriert sich auf die Durchführung klinischer Studien.

Kontinuierliche Glukosemessung (CGM) mittels Glukosesensor hat in den letzten Jahren immer mehr an Aufmerksamkeit gewonnen. Trotz großen Potentials, die Gesundheitsversorgung von Menschen mit Diabetes positiv zu beeinflussen, wird CGM in der Praxis aber nur begrenzt eingesetzt. Warum das der Fall ist, was die aktuellen Leitlinien empfehlen und wie die Datenlage ist, erklären wir in diesem Artikel.

Die aktuelle Rolle von CGM bei Diabetes

Die American Diabetes Association (ADA) erwähnt in ihren Leitlinien von Januar 2024, dass Diabetes-Geräte zur Behandlung von Diabetes angeboten werden sollen, gerade wenn Basalinsulin zugeführt wird. Für ältere Menschen mit Typ-2-Diabetes, die eine Insulintherapie erhalten, soll CGM lediglich in Betracht gezogen werden, da es hierzu noch zu wenig aussagekräftige Daten gibt, um eine gesonderte Empfehlung auszusprechen1. Ähnlich sieht es die American Association of Clinical Endocrinologists (AACE), indem 2023 CGM stark bzw. dringend für alle Menschen mit Diabetes (und/oder Hypoglykämie-Ereignissen) empfohlen wird. Gerade für Betroffene mit basaler Insulintherapie gilt der Nutzen als nachgewiesen, um Hypoglykämie zu vermeiden, aber auch um den Langzeitblutzucker (HbA1c) und die Time-in-Range zu verbessern. Als Basismaßnahme im Rahmen des Selbstmanagements und zur Therapieentscheidung wird das Ganze aber nur vorgeschlagen2.

In Deutschland findet sich in der aktuellen Nationalen Versorgungsleitlinie „Therapie des Typ-2-Diabetes keine gesonderte Empfehlung von CGM bei Typ-2-Diabetes 3. Unter den weiterführenden Leitlinien der Deutschen Diabetes Gesellschaft wird ebenfalls nur der Einsatz von CGM bei Typ-2-Diabetes unter Insulintherapie und mit Hypoglykämie-Risiko empfohlen (Figure 1) 4. Der Einsatz von CGM bei Typ-2-Diabetes ohne Insulintherapie war bisher nicht vorgesehen. Seit Januar 2024 hat sich die Verfügbarkeit bei Typ-2-Diabetes jedoch ausgeweitet. Mit der auf Rezept erhältlichen digitalen Gesundheitsanwendung (DiGA) glucura steht nun eine Kombination aus CGM und digitalem Diabetes-Management zur Verfügung.

Übersicht zum Einsatz von CGM bei Diabetes Typ 1 und Typ 2. Quelle: Heinemann L. et al, Exp Clin Endocrinol Diabetes 127, 2019
Quelle:  Heinemann L. et al, Exp Clin Endocrinol Diabetes 127, 2019 4

Aktuelle Datenlage zu CGM und Typ-2-Diabetes 

Eine Meta-Analyse aus England bestätigt, dass sich der HbA1c bei Typ-2-Diabetes-Betroffenen allein durch die Nutzung von CGM um knapp 0.2% verbessert. Hinzu kommt eine starke Nutzungs-Zufriedenheit bei intermittend scanned glucose monitoring (isCGM) – einem CGM-System, dass nur temporär und nicht dauerhaft angewendet wird5.

Eine erste Real-World-Study konnte sogar eine HbA1c-Senkung von -0,50% nach 6 Monaten bzw. -0.52% nach 12 Monaten feststellen. Hierfür wurde die Anwendung von CGM bei 711 Typ-2-Diabetes-Betroffenen im Alltag untersucht, wobei zusätzliche Unterstützung, z.B. durch begleitendes Diabetes-Coaching, nicht berücksichtig bzw. in die Auswertung mit einbezogen wurde6.

Weitere aktuelle Daten vom Advanced Technologies & Treatment for Diabetes (ATTD) Kongress 2023 stammen von Dr. Thomas Graceaus aus Findlay (Ohio) 7. Die Stadt machte sich nämlich zum Ziel zur ersten Gemeinde der USA zu werden, in der alle Typ-2-Diabetes-Betroffene einen Zugang zu CGM haben – nämlich fast 4.000 Menschen mit einem HbA1c über 7,4%. Daten von 237 Teilnehmenden wurden nach sechs Monaten ausgewertet, der HbA1c reduzierte sich von 9,4% (SD 1.7) auf 7.1% (SD 1.3), was einer Verbesserung von mehr als 2% entspricht. Somit waren etwas mehr als die Hälfte der Teilnehmenden im therapeutischen Zielbereich (HbA1c <7%) angekommen und der Großteil (83%) bei einem HbA1c <8%, 60% mehr als zuvor. Diese Ergebnisse zeigen das Potenzial von CGM in der Behandlung von Typ-2-Diabetes, wobei die überdurchschnittliche Motivation durch dieses spezielle Projekt nicht unterschätzt werden darf.

Insulintherapie

Eine Claim-basierte Analyse, die am ATTD vorgestellt wurde, konnte ebenfalls eine signifikante Senkung des HbA1c um durchschnittlich 0,8% zeigen. Die Daten stammten von knapp 1000 CGM-naiven Typ-2-Diabetes-Betroffenen. Spannend war, dass zusätzlich folgende drei Untergruppen ausgewertet wurden: -0,7% bei nicht Insulinpflichtigen (n=141), -0,8% bei intensivierter Insulintherapie (n=735) und -1,0% bei Basalinsulin (n=65). Die Unterschiede lassen sich durch den jeweiligen Ausgangswert erklären.

GLP-1-Analoga

Ein weiteres aktuelles Thema am ATTD war die Anwendung von CGM zusammen mit GLP-1-Analoga. Spannend ist, dass die Nutzung von CGM allgemein unter GLP-1-Therapie fast doppelt so hoch war (19% vs. 10%). Eine praxisnahe Studie konnte zudem zeigen, dass der HbA1c-Werte nach CGM-Einführung zusätzlich zu GLP-1-Anwendung um durchschnittlichen 1,5% gesenkt werden konnte (9,8% vs. 8,3%) 8. Dabei war der zeitliche Abstand zwischen Beginn der GLP-1-Medikation und der CGM-Nutzung entscheidend. Je näher diese aneinander waren, desto mehr sank der HbA1c: bei gleichzeitigem Start nämlich um 2,4% (10,2% vs. 7,8%), was 0,7% mehr als dem Effekt durch alleinige Anwendung von GLP-1-Analoga (10,2% vs. 8,2%) entspricht.
Obwohl es derzeit keine Empfehlungen in den Leitlinien für Menschen mit Insulintherapie gibt, die auf GLP-1-Analoga umgestellt werden, könne somit eine CGM-Integration beim Start der Therapie helfen. Gerade für eine Anpassung der Insulindosis und um das Risiko für Hypoglykämie zu minimieren.

Trotz erster Studien, müssen noch weitere randomisierte-kontrollierte klinische Studien (RCT) den Einsatz von CGM insbesondere bei Subgruppen des Typ-2-Diabetes untersuchen.

CGM für Diabetes Typ 2 ohne Insulintherapie? 

Bill Polonsky befragte in einer qualitativen Erhebung 34 Leute aus Findlay nach drei Jahren CGM-Nutzung und arbeite mehrere Aspekte heraus, wie CGM, Betroffene unterstützt. Am häufigsten wurde genannt, dass es Unsichtbares sichtbar macht, was den Betroffenen im Alltag hilft, dass es die Selbstwirksamkeit erhöht und das Gefühl vermittelt, selbst etwas gegen die Erkrankung tun zu können. Fraglich ist, inwieweit Menschen mit Diabetes aus ihrem Blutzuckerverlauf Rückschlüsse auf ihren Lebensstil ziehen und ggf. eigenständig Lebensstilanpassungen vornehmen können. Hier bedarf es neuer innovativer Ansätze wie die, der DiGA glucura, um die Technologie bestmöglich zu nutzen und Schritt für Schritt zu personalisierten Lebensstilanpassungen anzuleiten.

Einsatz von CGM mit der DiGA glucura

Die Diabetes-App glucura wird in Kombination mit einem CGM-System zur Behandlung des nicht-insulinpflichtigen Typ-2-Diabetes (ICD-1-Code E11) sowohl als Erstlinientherapie als auch in Kombination mit einer bestehenden Diabetes-Medikation eingesetzt. Zu Beginn tragen die Betroffenen bis zu zwei Wochen einen CGM-Sensor. Dies hilft individuelle Blutzucker-Reaktionen auf die von ihnen geloggten Mahlzeiten nachzuvollziehen im Sinne eines Biofeedbacks. Um den eigenen Stoffwechsel zu verstehen, werden die Mahlzeiten im Ampelsystem bewertet und in einem Ranking eingeordnet. Betroffene werden dann durch die App motiviert, mir ihren Mahlzeiten zu experimentieren, mehr Alltagsbewegung zu integrieren und neue Erkenntnisse umzusetzen, z.B. in Form von kleinen erreichbaren Wochenzielen. Das Ziel dabei ist, Veränderungen in den Alltag zu integrieren und dadurch Gewicht zu verlieren und mehr Blutzuckerstabilität zu erreichen. Das Besondere dabei ist, dass das kontinuierliche Blutzucker-Feedback auch ohne Sensor nach den zwei Wochen möglich ist: denn ein KI-basierter Algorithmus, sammelt Blutzuckerdaten in der Sensorphase und ist dadurch in der Lage die individuellen Blutzuckerantworten weiterhin vorherzusagen.

Die Anwendung von glucura beläuft sich dabei auf drei Monate, wobei Folgeverschreibungen im Sinne einer langfristigen Lebensstiltherapie empfohlen sind und somit eine fortlaufende Nutzung mit entsprechend mehreren Sensorphasen möglich sind.

Blick in die Zukunft 

Es lässt sich somit schlussfolgern, dass Evidenz für CGM, insbesondere als Standardtherapie für Menschen mit Diabetes Typ 2, bereits vorhanden ist. Jedoch sind weitere qualitativ hochwertige Studien erforderlich, die sowohl die Versorgungsverbesserungen, als auch die Kosteneffektivität zeigen. Ein kürzlich erschienenes Review sieht hier eine vielversprechende Entwicklung, die die Versorgung von allen Diabetes Typ 2 Betroffenen – unabhängig der Medikation – verbessern könnte9.

Verschiedene CGM-Systeme für Menschen mit Diabetes sind bereits auf dem Markt und werden ständig weiterentwickelt. Darüber hinaus etablieren sich auch ausländische Hersteller auf dem CGM-Markt. Neben den klassischen CGM-Systemen zur Gewebezuckermessung werden auch CGM-Systeme mit Ketonkörpermessung (CKM) kombiniert.

CGM wird aber auch außerhalb von Diabetes eingesetzt, zum Beispiel zur Migräneprophylaxe mit der DiGA sinCephalea. Aber auch bei Menschen, die ihre Gesundheit optimieren wollen oder im Leistungssport. Gerade hier könnte der Markt in Zukunft noch größer werden.

Fazit 

CGM wird im Standard of Care für Menschen mit Diabetes empfohlen, aber nur für bestimmte Subgruppen sind derzeit die Glukosesensoren erstattungsfähig. In Deutschland ist mit der DiGA glucura nun auch CGM für nicht-insulinbehandelte Diabetes Typ 2-Betroffene verfügbar. Gerade bei Typ-2-Diabetes ist das Potential groß, um Betroffenen Biofeedback bereitzustellen, das Diabetesmanagement zu verbessern und so vor einer Insulintherapie und Folgeerkrankungen zu schützen. In Kombination mit smarten Therapieangeboten wie der DiGA glucura, können neue Erfolge in der Lebensstiltherapie erreicht werden, die zuvor so nicht möglich waren. Das damit einhergehende Potential zur Kostensenkung könnte in Anbetracht der steigenden Prävalenz von Typ-2-Diabetes besonders relevant werden.

Quellen: 

  1. American Diabetes Association Professional Practice Committee et al. 7. Diabetes Technology: Standards of Care in Diabetes—2024. Diabetes Care 47, S126–S144 (2024).
  2. Samson, S. L. et al. American Association of Clinical Endocrinology Consensus Statement: Comprehensive Type 2 Diabetes Management Algorithm – 2023 Update. Endocrine Practice 29, 305–340 (2023).
  3. Nationale VersorgungLeitlinie (NVL). (2023).
  4. Heinemann, L. et al. Glucose Measurement and Control in Patients with Type 1 or Type 2Diabetes. Exp Clin Endocrinol Diabetes 127, S8–S26 (2019).
  5. Seidu, S., Kunutsor, S. K., Ajjan, R. A. & Choudhary, P. Efficacy and Safety of Continuous Glucose Monitoring and Intermittently Scanned Continuous Glucose Monitoring in Patients With Type 2 Diabetes: A Systematic Review and Meta-analysis of Interventional Evidence. Diabetes Care 47, 169–179 (2024).
  6. Eeg-Olofsson, K. et al. Real-world study of flash glucose monitoring among adults with type 2 diabetes within the Swedish National Diabetes Register. Diabetes and Vascular Disease Research 20, 147916412110674 (2023).
  7. Grace, T. A CGM Expert Interview with Thomas Grace, MD. (2023).
  8. Abbot. REAL-WORLD DATA SHOW ABBOTT’S FREESTYLE LIBRE® SYSTEMS AND GLP-1 MEDICINES WORK BETTER TOGETHER FOR PEOPLE WITH TYPE 2 DIABETES. https://abbott.mediaroom.com/2024-03-06-Real-World-Data-Show-Abbotts-FreeStyle-Libre-R-Systems-and-GLP-1-Medicines-Work-Better-Together-for-People-with-Type-2-Diabetes.
  9. Ajjan, R.A., Battelino, T., Cos, X. et al. Continuous glucose monitoring for the routine care of type 2 diabetes mellitus. Nat Rev Endocrinol 20, 426–440 (2024). https://doi.org/10.1038/s41574-024-00973-1

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