Diabetes und Depression: Das Doppelpack

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Amrei Stickling

Amrei ist ganzheitliche Gesundheitsberaterin und studiert Clinical Nutrition im Master. Sie beschreibt sich selbst als reisefreudigen Yogafan und neben den Themen Ernährung und Gesundheit beschäftigt sie sich liebend gerne mit der Persönlichkeitsentwicklung.

Diabetes und psychische Gesundheit

Diabetes Typ 2 verursacht in der Regel gerade zu Beginn fast keine bis hin zu gar keine Symptome. Umso größer ist der Schock bei der Diagnose – oft ein Zufallsbefund. Für die meisten Menschen bedeutet es nämlich ab dann konstante Verunsicherung und Druck, den Alltag umzukrempeln im Sinne einer Ernährungsumstellung und mehr Bewegung und Sport. Hinzu kommt die Angst vor Folgeerkrankungen,  vor dauerhafter Medikamenteneinnahme und eventuell Insulinspritzen.

Der Druck, der mit der Diagnose einhergeht, ist eine große psychische Belastung. Wie groß, das zeigen die Ergebnisse mehrerer Studien: Menschen mit Diabetes sind nämlich etwa doppelt bis dreimal so gefährdet, eine Depression zu entwickeln, wie stoffwechselgesunde Personen1,2. Zudem erleben Schätzungen zufolge etwa ein Viertel aller Diabetes-Betroffenen depressive Verstimmungen und ganze zehn Prozent leiden bereits unter einer klinischen Depression3. Man spricht von einer sog.  Komorbidität – also dem gleichzeitigen Auftreten von Krankheiten, wobei Depression mit zu den häufigsten Komorbiditäten von Diabetes gehört4.

Die Dunkelziffer ist vielleicht sogar noch höher, denn ein großes Problem ist, sowohl Typ-2-Diabetes als auch Depressionen oft unentdeckt bleiben. Hinzu kommt, dass sich einige Symptome, wie Erschöpfung oder Konzentrationsprobleme, überschneiden, wodurch eine Differenzierung erschwert wird.

Der genaue Zusammenhang zwischen Depression und Diabetes ist noch nicht eindeutig geklärt. Dass es ihn gibt, steht aber fest – und zwar in beide Richtungen: Genau wie ein Diabetes eine Depression auslösen kann, kann eine Depression einen Diabetes begünstigen.

Depression als Folgeerkrankung von Diabetes

Wenn es dir sehr schwerfällt, die Diagnose Diabetes zu akzeptieren oder damit umzugehen, bist du nicht allein. Die meisten Betroffenen geben an, dass die Krankheit ihre Lebensqualität negativ beeinflusst. Vor allem am Anfang vermissen viele die frühere Leichtigkeit, denn Essen ist plötzlich weniger unbeschwert als vorher und die Sorge davor, dass der Blutzucker zu hoch oder zu niedrig wird (z.B. Hypoglykämie-Risiko bei Insulinanwendung), wird zum ständigen Begleiter.

Die neuen „Regeln“, Gedanken und Sorgen, die mit einem Typ-2-Diabetes einhergehen, führen bei vielen Menschen zu großer Überforderung. Durch diese ständige innere Anspannung steht der Körper unter Dauerstress (auch Diabetes-Distress genannt). Irgendwann, wenn die emotionale Belastung zu groß wird und der Zustand zu lange anhält, kann sich dadurch eine Depression entwickeln. Die Betroffenen fühlen sich erschöpft, resignieren oder verlieren die Freude an Dingen, die sie eigentlich gerne tun.

Einige Forschende vermuten hier übrigens einen gemeinsamen Ursprung der Erkrankungen. Denn langanhaltender Stress, sowohl körperlicher als auch seelisch, führt dazu, dass Hormone und Botenstoffe ausgeschüttet werden, die Entzündungsprozesse fördern und es kommt zu chronische Entzündungen2.

Einfluss von Depression auf Diabetes

Umgekehrt kann es auch passieren, dass durch eine Depression ein Diabetes Typ 2 entsteht6. Denn Menschen, die unter Depressionen leiden, fällt es oft schwer, alltägliche Aufgaben zu bewältigen. Einkaufen oder Kochen kann zu einer unüberwindbaren Hürde werden. Viele Betroffene ernähren sich dadurch eher ungünstig, schlafen schlecht und bewegen sich weniger. Alles Faktoren, die eine Insulinresistenz begünstigen, die zu Diabetes Typ 2 führt7 .

Das bedeutet aber natürlich nicht, dass jede Depression gleich Diabetes auslöst. Denn es gibt viele unterschiedliche Ursachen für eine Insulinresistenz. Besonders gefährdet sind Menschen mit Übergewicht – aber auch die Gene spielen eine große Rolle. Bei Personen, die vielleicht schon vorher zur Risikogruppe gehört haben, kann eine Depression somit der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt. 

Depression und Diabetes: eine gefährliche Kombi

Leiden Betroffene an Diabetes und Depression, ist das besonders gefährlich8. Denn die Kombination kann einen Teufelskreis verursachen: Manche Menschen, die mit einem Diabetes depressiv werden, neigen zum Beispiel dazu, die Einnahme ihrer Medikamente zu vernachlässigen. Das führt dazu, dass sich die Blutzuckerwerte weiter verschlechtern. Je weiter der Diabetes fortgeschritten ist, desto höher ist aber eben auch das Risiko für eine Depression9.

Auf der anderen Seite kann eine Diabetes-Diagnose depressive Menschen in eine Krise stürzen. Die zusätzlichen Aufgaben, die das Diabetes-Management mit sich bringt, sind dann oft kaum zu bewältigen, was wiederum die Diabetes-Prognose verschlechtert. Eine Diabetes-Erkrankung verläuft somit bei depressiven Menschen oft schwerer als bei psychisch gesunden Betroffenen.
Unabhängig davon, was zuerst da war, sollte also möglichst schnell gehandelt werden. Aber woran merke ich, ob ich eine Depression entwickelt habe, wenn ein Diabetes vorliegt? 

Bin ich betroffen?

Durch eine Depression kann sich Diabetes also verschlechtern – und umgekehrt10. Umso wichtiger ist es, möglichst schnell zu erkennen, wenn eines oder gar beide Krankheitsbilder auftreten. Das Tückische ist aber, dass die Symptome oft kaum bemerkt werden und sich teilweise ähneln. Sowohl Diabetes als auch Depressionen bleiben somit oft jahrelang unentdeckt, bevor die Diagnose gestellt wird. Noch schwieriger ist es beides gleichzeitig festzustellen.

Zu den möglichen Anzeichen für Diabetes zählen:

  • Müdigkeit und Erschöpfung
  • Konzentrations- und Gedächtnisprobleme
  • Verstärktes Durstgefühl
  • Heißhunger, auch kurz nach dem Essen
  • Geschwächtes Immunsystem
  • Schlecht heilende Wunden, besonders an den Füßen
  • Schlafstörungen
  • Dunkle Hautstellen, vor allem in der Nähe der Gelenke (Acanthosis Nigricans)
  • Häufiges Wasserlassen oder ständiger Harndrang

Mögliche Symptome einer Depression:

  • Müdigkeit und Erschöpfung
  • Konzentrations- und Gedächtnisprobleme
  • Antriebs- und Teilnahmslosigkeit
  • Gefühle von Resignation, Hoffnungslosigkeit oder innerer Leere
  • Schlafstörungen
  • Appetitverlust oder Heißhungerattacken
  • Gewichtsab- oder zunahme
  • Verlust der Libido
  • Angst- und Unruhezustände
  • Kein Interesse an Dingen, die du früher gerne gemacht hast
  • Schuldgefühle und mangelndes Selbstvertrauen
  • Rückzug von Freunden und Familie
  • Suizidgedanken

Zum Thema Depression bei Diabetes gibt es auch eine digitale Gesundheitsanwendung. Dafür musst du aber feststellen, ob du von einer Depression betroffen bist. Das ist über entsprechendes Fachpersonal möglich, wobei du natürlich davor erst einmal entsprechende Symptome oder Veränderungen in deinem Verhalten bemerken musst. Dafür kannst du dich zum Beispiel fragen, ob sich dein Schlafrhythmus oder dein Appetit in letzter Zeit verändert hat oder, ob du aktuell negativer über die Zukunft denkst als noch vor einigen Wochen oder Monaten. Vielleicht kannst du diese Veränderungen auch im zeitlichen Zusammenhang mit deiner Diabetes-Diagnose betrachten.

All das kann natürlich auch temporär sein, aber auch vorübergehende depressive Verstimmungen erfordern oft ärztliche Unterstützung. Nimm also deine Symptome oder die Rückmeldung deines Umfelds ernst und hole dir Hilfe, denn du musst und sollst da nicht allein durch. Wenn du (oder jemand anderes) Diabetes hat und du eine Depression vermutest, ist eine entsprechende Psychotherapie eine wichtige Unterstützung. Es gibt dafür sogar geschultes Fachpersonal, also Personen, die auf die Komorbidität Diabetes und Depression spezialisiert sind: Hier findest du weitere Informationen11. Diabetes-Betroffene profitieren von denselben Therapieansätzen, die auch bei stoffwechselgesunden Depressions-Betroffenen funktionieren. Wichtig ist, dass du dich wohlfühlst und das Gefühl hast, der Person vertrauen und dich öffnen zu können. In Deutschland gibt es zudem seit einigen Jahren einen Kurs, der Diabetes-Betroffenen helfen soll, mit der Belastung durch die Krankheit besser umzugehen12.

Um die Erkrankungen erfolgreich zu behandeln, empfiehlt sich zudem eine Kombination aus Diabetes-Management und Psychotherapie. Je nach Einzelfall kann es auch sinnvoll sein, die Behandlung durch Diabetes-Medikamente und/oder Antidepressiva zu ergänzen. Wichtig ist, dass alle Medikamente aufeinander abgestimmt werden, denn gerade bestimmte Antidepressiva beeinflussen zum Beispiel das Körpergewicht und den Fettstoffwechsel und beeinflussen damit möglicherweise den Diabetes.

Generell ist es auch sinnvoll durch eine Lebensstilanpassung den Diabetes in den Griff zu bekommen und diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Dazu gibt es neuerdings eine Diabetes-App glucura, mit der du in kleinen Schritten, die nicht überfordern, deinen Blutzucker stabilisieren kannst. In der Sensorphase kannst du deinen Blutzucker beobachten und wir werten für dich deine Mahlzeiten aus, um es dir möglichst einfach zu machen. Mit kleinen Wochenzielen kannst du dann Stück für Stück deinen Blutzucker wieder in Normbereiche bringen. Unser Support-Team steht dir auch jederzeit für Fragen zur Verfügung. Wenn du mehr dazu erfahren willst, dann komm gerne in unseren online Vortrag oder informiere dich auf unserer Website.

Die Diagnose Diabetes ist eine große Belastung. Kein Wunder also, dass Betroffene ein höheres Risiko haben, zusätzlich eine Depression als Folgeerkrankung von Diabetes zu entwickeln. Andersherum kann es aber auch sein, dass eine Depression die Entwicklung eines Diabetes begünstigt oder den Verlauf eines bestehenden Diabetes negativ beeinflusst.

Wenn du Diabetes hast und feststellst, dass sich deine Stimmung oder dein Wohlbefinden verändert haben, empfehlen wir dir dringend genauer hinzuschauen. Denn eine Depression sollte niemals unterschätzt werden – gerade in der Kombination mit Diabetes. Sprich unbedingt mit einer psychologischen Fachkraft oder deinem Diabetes-Team. Denn, um dich wieder besser zu fühlen und deinen Diabetes in den Griff zu bekommen, braucht es professionelle Unterstützung.

Beim Thema blutzuckerstabilisierende Ernährung kann dir zudem glucura, die Diabetes-App auf Rezept, behilflich sein. Basierend auf deinen individuellen Blutzuckerreaktionen aus einer bis zu zweiwöchigen Sensorphase, sprechen wir dir personalisierte Ernährungsempfehlungen aus, die deinen Blutzucker stabilisieren. Auch nach der Sensorphase bilden wir deinen Blutzucker weiter ab und unterstützen dich mit flexiblen Wochenzielen, Experimentierideen und Rezepten, kleine Veränderungen in deinen Alltag zu integrieren. Hol dir dafür dein Rezept bei deinem behandelnden Fachpersonal oder wende dich bei bestehender DMP-/Diagnose-Bestätigung direkt an deine Krankenkasse. Noch Fragen? Dann schau doch in unserem nächsten online Vortrag vorbei.

Quellen

  1. Kulzer, B. Körperliche und psychische Folgeerkrankungen bei Diabetes mellitus. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 65, 503–510 (2022).
  2. Moulton, C. D., Pickup, J. C. & Ismail, K. The link between depression and diabetes: the search for shared mechanisms. Lancet Diabetes Endocrinol. 3, 461–471 (2015).
  3. Hibbeler, B. Diabetes Mellitus Typ 2: Auch Herz Und Psyche Im Blick Behalten. https://www.aerzteblatt.de/archiv/54864/Diabetes-Mellitus-Typ-2-Auch-Herz-und-Psyche-im-Blick-behalten (2007).
  4. Deutsche Diabetes Gesellschaft. Stoffwechsel und Psyche ins Gleichgewicht bringen. Diabetes Zeitung vol. DDG 12/2020.
  5. Park, C., Pagnini, F., Reece, A., Phillips, D. & Langer, E. Blood sugar level follows perceived time rather than actual time in people with type 2 diabetes. Proc. Natl. Acad. Sci. 113, 8168–8170 (2016).
  6. Akhaury, K. & Chaware, S. Relation Between Diabetes and Psychiatric Disorders. Cureus 14, e30733.
  7. Lang, U. E., Beglinger, C., Schweinfurth, N., Walter, M. & Borgwardt, S. Nutritional aspects of depression. Cell. Physiol. Biochem. Int. J. Exp. Cell. Physiol. Biochem. Pharmacol. 37, 1029–1043 (2015).
  8. Abrahamian, H. et al. Psychische und neurokognitive Erkrankungen und Diabetes mellitus (Update 2023). Wien. Klin. Wochenschr. 135, 225–236 (2023).
  9. Ärzteblatt, D. Ä. G., Redaktion Deutsches. Diabetes Mellitus Typ 2: Auch Herz und Psyche im Blick behalten. Deutsches Ärzteblatt https://www.aerzteblatt.de/archiv/54864/Diabetes-Mellitus-Typ-2-Auch-Herz-und-Psyche-im-Blick-behalten (2007).
  10. Basiri, R., Seidu, B. & Rudich, M. Exploring the Interrelationships between Diabetes, Nutrition, Anxiety, and Depression: Implications for Treatment and Prevention Strategies. Nutrients 15, 4226 (2023).
  11. Diabetes & Psychologie e.V. https://www.diabetes-psychologie.de/Psychotherapeutensuche.
  12. DiGA-Verzeichnis. https://diga.bfarm.de/de/verzeichnis/01376.

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