Motivation zur Bewegung bei Typ-2-Diabetes: So können Ärztinnen und Ärzte unterstützen

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Prof. Dr. Othmar Moser

Dr. Othmar Moser ist Professor für Leistungsphysiologie und Metabolism an der Universität Bayreuth. Er ist spezialisiert auf die Erforschung von Trainingsphysiologie und Stoffwechselprozessen, wobei seine Forschung sich auf die Anpassung des menschlichen Körpers an physische Belastungen konzentriert. Dabei untersucht er vor allem die Rolle von Ausdauertraining und Krafttraining und dessen Auswirkungen auf den Stoffwechsel auf Menschen mit Diabetes.

Menschen mit Typ-2-Diabetes stehen oft vor der Herausforderung, ihren Lebensstil nachhaltig zu verändern. Bewegung und eine gesunde, blutzuckerfreundliche Ernährung sind dabei wesentliche Faktoren, um Blutzuckerwerte zu stabilisieren und das Risiko für Folgeerkrankungen zu reduzieren1.

Dr. Othmar Moser ist Professor an der Universität Bayreuth und spezialisiert auf Trainingsphysiologie sowie Stoffwechselprozesse im Bereich der Diabetologie. Im Interview mit uns erklärt er, wie Behandelnde ihre Patientinnen und Patienten dabei unterstützen können, einen bewegungsreicheren Alltag zu gestalten und ihre Selbstwirksamkeit zu stärken, und gibt dafür praktische Tipps.

Die Bedeutung von Bewegung bei Typ-2-Diabetes

Bewegung wirkt sich durch verschiedene Mechanismen positiv auf den Glukosemetabolismus aus. Zum einen wird die Insulinsensitivität erhöht, zum anderen verbessert regelmäßige körperliche Aktivität die Glukoseaufnahme in die Muskelzellen, auch unabhängig von Insulin2. Dies führt nicht nur zu einer kurzfristigen Verbesserung der Blutzuckerwerte, sondern kann langfristig helfen, Folgeerkrankungen zu vermeiden, medikamentöse Therapien zu reduzieren oder medikamentöse Eskalation zu vermeiden. Studien zeigen, dass die Insulinsensitivität auch im Alter durch regelmäßige Bewegung verbessert werden kann. Auch diese Personengruppe profitiert also stark von angepasster Bewegung3.

Geduld und Selbstvertrauen: Der Weg zu mehr Bewegung

Ein zentrales Thema in der Betreuung von Menschen mit Typ-2-Diabetes ist der Aufbau von Selbstvertrauen. Prof. Dr. Othmar Moser betont, dass die Entwicklung der Krankheit oft Jahre dauert und daher auch der Weg zurück zu einem bewegungsreicheren Lebensstil Zeit benötigt. „Man darf nicht erwarten, dass etwas, das sich über Jahre entwickelt hat, innerhalb von zwei Wochen wieder gut wird“. Dabei gilt es, Bewegung langsam zu steigern und in den Alltag zu integrieren, um die langfristige Adhärenz zu fördern. Betroffene sollten sich dabei auf kleine, aber kontinuierliche Fortschritte konzentrieren, etwa durch eine schrittweise Steigerung der Alltagsaktivität: „Zum Beispiel Spielen mit den Enkelkindern! Das ist das wundervollste Intervalltraining und macht zudem noch Spaß“, empfiehlt Prof. Dr. Moser.

Digitale Gesundheitsanwendungen: Unterstützung durch Feedback und Motivation 

Moderne digitale Tools wie die Diabetes-App glucura können einen entscheidenden Unterschied machen. Sie bietet personalisierte Diabetestherapie anhand von individuellen Empfehlungen durch kontinuierlichen Blutzuckerwerten über Glukosesensoren (CGM) und die Integration von Schrittzählern. Damit gibt die Diabetes-App den Nutzerinnen und Nutzern direktes Biofeedback – auch zu ihrer Alltagsbewegung. Dies hilft, die Motivation aufrechtzuerhalten und Fortschritte im Bereich Ernährung und Bewegung messbar zu machen. „Ohne diese Unterstützung schleichen sich alte Gewohnheiten schnell wieder ein“, so Prof. Dr. Moser. 

Das direkte Feedback motiviert Patientinnen und Patienten, ihren gesünderen Lebensstil beizubehalten. Er ist überzeugt, dass Apps wie glucura eine wichtige Rolle in der langfristigen Betreuung spielen können, indem sie eine strukturierte und datenbasierte Anleitung bieten – z.B. bei glucura mit individuellen Mahlzeitenbewertungen, angepassten Wochenzielen und angeleiteten Gymnastikvideos.

Gerade der multimodale Therapieansatz aus Ernährungstherapie, Bewegungsanleitung und Edukation sowie die Förderung zu mehr Selbstwirksamkeit durch entsprechendes Feedback motiviert die Betroffenen in ihrem Alltag. Das zeigen auch aktuelle die Studiendaten von einer Pilotstudie von glucura, die im Journal of Diabetes Science and Technology veröffentlicht wurden4: „Die App zeigt beeindruckende Verbesserungen der Blutzuckerwerte, wenn sie konsequent genutzt wird“ betont Prof. Dr. Moser.

Für Ärztinnen und Ärzte bedeutet dies, dass sie ihre Patientinnen und Patienten auf solche digitalen Helfer hinweisen können. Wichtig ist dabei, auf wissenschaftlich fundierte und zugelassene Apps, wie eben die digitale Gesundheitsanwendung glucura, zurückzugreifen. Denn „Digitale Gesundheitsanwendungen sind wissenschaftlich auf ihre Wirksamkeit geprüft“, erklärt Prof. Dr. Moser.

Bewegung in den Alltag integrieren: Praktische Tipps für die Umsetzung

Betroffene empfinden die empfohlene wöchentliche Bewegungsdauer von mindestens 150 Minuten mit moderater Intensität 5 als überwältigend erklärt Prof. Dr. Moser und betont dabei: „Es muss nicht sofort schweißtreibender Sport sein. Für den Anfang reicht es, die physische Alltagsaktivität zu erhöhen“. 

Hierbei zählen auch kurze Bewegungseinheiten, wie etwa das Gehen zum weiter entfernten Parkplatz oder das Aussteigen eine Station früher aus dem Bus. Diese alltagsintegrierte Bewegung kann bereits signifikante Effekte auf die Blutzuckerregulation haben6, 7. Sich einfach etwas mehr zu bewegen als bisher – das empfiehlt Prof. Dr. Moser, denn „jeder Schritt zählt, und einer mehr ist immer besser als einer weniger“. 

Für den Einstieg eignet sich das sogenannte Exercise Snacking – kurze, intensive Bewegungseinheiten, die sich leicht in den Alltag integrieren lassen, z.B. das „Farmer’s Walk“-Prinzip, bei dem man Einkaufstüten über eine längere Strecke trägt.

Praktische Tipps dafür, die auch in der ärztlichen Beratung vermittelt werden können, sind:

  • Farmers Walk durch weit entfernte Parkplätze: Betroffene können ermutigt werden, weiter entfernte Parkplätze zu nutzen, um zusätzliche Schritte zu sammeln. „Ich versuche beim Einkaufen den Parkplatz zu finden, der am weitesten weg ist, und nicht am nächsten dran. Dann gehe ich schnell in den Markt und habe beim Zurückgehen zwei Tüten in der Hand. Das spielt für den Körper keine Rolle, ob es zwei Hanteln sind, die ich trage, oder zwei Tüten“.
  • Treppensteigen als Intervalltraining: Regelmäßig die Treppe dem Aufzug vorzuziehen, erhöht nicht nur die Herzfrequenz, sondern trainiert auch gezielt die Beinmuskulatur. Konkret sieht das Training wie folgt aus: „Ein Stockwerk nach oben so schnell es geht, dann 30 Sekunden Pause, das nächste Stockwerk hoch, wieder 30 Sekunden Pause. Es muss kein Laufbandtraining sein.“
  • Exercise Snacking im Büro: Gerade für Menschen mit sitzenden Tätigkeiten empfiehlt sich regelmäßiges Aufstehen und kurzes Gehen. „Versuchen Sie z.B. im Büro, für all Ihre Kollegen und Kolleginnen den Kaffee zu holen. Dann werden Sie alle 15 bis 20 Minuten etwa zwei Minuten gehen. So können Sie regelmäßig ein paar Schritte gehen und Sie sind gleichzeitig extrem beliebt“ erklärt Prof. Dr. Moser mit einem Lachen.

Realistische Ziele und feste Routinen schaffen

Um den inneren Schweinehund zu besiegen, empfiehlt Prof. Dr. Moser, Bewegung zu einem festen Bestandteil des Tagesablaufs zu machen und sie konsequent zu dokumentieren. „Mitschreiben, umsetzen, abhaken – das macht glücklich“. Diese Strategie kann durch digitale Tagebücher in Apps ergänzt werden, um Fortschritte sichtbar zu machen und die Motivation zu steigern. Ein fester Plan ist wesentlich wirkungsvoller als allgemeine Vorsätze. Wer sich zum Beispiel vornimmt, täglich 10 Minuten spazieren zu gehen und dies festhält, bleibt eher am Ball.

Daher rät Prof. Dr. Moser, Bewegung wie einen festen Termin im Kalender zu planen: „Es ist wichtig, dass sich Betroffene die Bewegung wie einen Termin im Kalender eintragen und zu einem Fixpunkt im Tagesablauf machen“.

Freude an Bewegung: Individuelle Vorlieben fördern

„Es gibt kein Patentrezept, das für jeden funktioniert“, erklärt Prof. Dr. Moser. Entscheidend sei, dass die gewählte Aktivität den individuellen Vorlieben und dem Lebensstil entspricht. Patientinnen und Patienten sollten ermutigt werden. Dabei ist es hilfreich, auch als Ärztin oder Berater aktiv zu unterstützen, beispielsweise indem man gemeinsam mit den Betroffenen in der Sprechstunde einen passenden Verein kontaktiert. Der Einstieg fällt leichter, wenn die Hemmschwelle durch direkte Unterstützung gesenkt wird.

Prof. Dr. Moser empfiehlt, nach Sportarten oder Aktivitäten zu suchen, die den Betroffenen Freude bereiten. „Wenn Sie etwas entdecken – sei es Bogenschießen oder Golf spielen – dann probieren Sie es aus“. Auch Sportarten aus der Kindheit oder Jugend können wieder aufgegriffen werden. Dies motiviert ältere Betroffene, sich an Aktivitäten zu erinnern, die ihnen früher Freude bereitet haben. Ärztinnen und Ärzte können so in der Beratung gezielt auf persönliche Vorlieben eingehen und altersgerechte Bewegungsformen fördern.

Das Wichtigste sei, dass die Bewegung zu einer festen Gewohnheit wird, die gerne ausgeübt wird.

Fazit: Ein ganzheitlicher Ansatz für mehr Bewegung bei Typ-2-Diabetes

Medizinische Fachkräfte können durch eine individuelle und empathische Ansprache sowie den gezielten Einsatz digitaler Gesundheitsanwendungen wie glucura die körperliche Aktivität von Patientinnen und Patienten effektiv fördern. Bereits kleine, alltagstaugliche Schritte und maßgeschneiderte Empfehlungen helfen, nachhaltige Erfolge zu erzielen – für stabilere Blutzuckerwerte, eine bessere Lebensqualität und einen aktiveren Alltag.

Körperliche Aktivität ist ein essenzieller Bestandteil der Typ-2-Diabetes-Behandlung: Sie verbessert die Insulinsensitivität, stabilisiert den Blutzuckerspiegel und kann den Bedarf an Medikamenten reduzieren. Innovative Bewegungskonzepte wie „Exercise Snacking“ und digitale Hilfsmittel ermöglichen Ärztinnen und Ärzten, Patientinnen und Patienten praxisnahe, langfristig umsetzbare Lösungen anzubieten.

Denn wie Prof. Dr. Moser treffend formuliert: „Jeder Schritt zählt – und einer mehr ist immer besser als einer weniger.“

Quellen:

1.         Lean, M. E. et al. Primary care-led weight management for remission of type 2 diabetes (DiRECT): an open-label, cluster-randomised trial. The Lancet 391, 541–551 (2018).

2.         Colberg, S. R. et al. Physical Activity/Exercise and Diabetes: A Position Statement of the American Diabetes Association. Diabetes Care 39, 2065–2079 (2016).

3.         Duncan, G. E. et al. Exercise training, without weight loss, increases insulin sensitivity and postheparin plasma lipase activity in previously sedentary adults. Diabetes Care 26, 557–562 (2003).

4.         Kannenberg, S. et al. Unlocking Potential: Personalized Lifestyle Therapy for Type 2 Diabetes Through a Predictive Algorithm-Driven Digital Therapeutic. J Diabetes Sci Technol 19322968241266821 (2024) doi:10.1177/19322968241266821.

5.         Ärzteblatt, D. Ä. G., Redaktion Deutsches. Sport als Prävention: Fakten und Zahlen für das individuelle Maß an Bewegung. Deutsches Ärzteblatt https://www.aerzteblatt.de/archiv/209444/Sport-als-Praevention-Fakten-und-Zahlen-fuer-das-individuelle-Mass-an-Bewegung (2019).

6.         Moser, O., Kaser, S. & Sourij, H. Editorial: Lifestyle intervention approaches in prediabetes or diabetes. Front. Endocrinol. 15, 1341674 (2024).

7.         Hoffmann, S. W. et al. Effects of light‐intensity physical activity on cardiometabolic parameters in young adults with overweight and obesity: The SED ‐ ACT randomized controlled crossover trial. Diabetes Obesity Metabolism 26, 3849–3859 (2024).

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